Malerei und Musik

3 Musik als Vorbild der Künste

Um 1800 übte die Musikästhetik auf Maler einen größeren Einfluss aus als einzelne Komponisten oder Musikstücke. Nicht nur für Arthur Schopenhauer stand fest: Wie die Musik zu werden ist das Ziel jeder Kunst.[4] Der Musik allein unter allen Künsten schrieb Schopenhauer die Fähigkeit zu, den Willen unmittelbar abzubilden und unabhängig von der Welt – sogar ohne diese – zu existieren.

Zum einen faszinierte die Musik als von der Verpflichtung zur Naturnachahmung befreite Kunst, zum anderen feierte die romantische Musikästhetik die Tonkunst als Metasprache, die nicht nur unmittelbar auf das Gefühl einwirkt, sondern sogar einen metaphysischen Dialog mit dem fernen Geisterreich (E.T.A. Hoffmann) ermöglicht.[5] Der Musik wurde daher vielfach eine Vorbildfunktion für die anderen Künste eingeräumt. Einen frühen Versuch, strukturelle Bezüge zwischen Musik und Malerei zu visualisieren, unternahm Philipp Otto Runge. Die einzelnen Blätter seines schon im Jahr 1803 konzipierten grafischen Zyklus Die Zeiten entsprechen in ihrer Komposition den Charakteren der vier Sätze einer Sinfonie. Die unvollendet gebliebene Ausführung in Öl hätte zusätzlich die Idee der Einheit von Farben und Tönen umsetzen sollen.

Maler, die über Wechselwirkungen zwischen Musik und Malerei nachdachten, verfügten nicht unbedingt über Kenntnisse der Kompositions- und Harmonielehre. In den meisten Fällen suchten sie Impulse auf der abstrakteren Ebene allgemeiner Kunsttheorie. Auch der mit Chopin befreundete Eugène Delacroix zog den Vergleich zwischen Musik und Malerei nicht systematisch.[6] Er beabsichtigte, durch die Auseinandersetzung mit Musik über seine eigenen künstlerischen Belange Klarheit zu erzielen, ohne die Künste zu vermischen oder in effekthascherischer Absicht zu kombinieren.[7] Insgesamt kreiste die Debatte vor allem um den zur Musik analogen Umgang mit den gestalterischen Mitteln, die aufgrund der immanenten Logik bildnerischer Form ihre Wirkung unabhängig vom Sujet entfalten können. Stellvertretend für diese Auffassung stehen Charles Baudelaire und John Ruskin, der 1853 schrieb: Die Anordnung von Farben und Linien ist eine der musikalischen Komposition analoge Kunst und von der Schilderung von Tatsachen völlig unabhängig.[8]

Die Anekdote über einen antiken Künstler, der hinter einem Gemälde mit Kriegsthematik Trompeten erschallen ließ, um die Wirkung auf den Betrachter zu steigern, kommentierte Delacroix sarkastisch: Man könne kein Schlachtengemälde mehr ausführen, ohne dabei Schießpulver zu entzünden., Eugène Delacroix, Journales I–III, A. Joubin (Hg.), Bd. 2, Paris 1932, S. 439–440.  
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