Sonifikation

4 Klingende Nerven: Informationsübertragung in der neurologischen Forschung

Die Darstellungsmöglichkeiten der Wissenschaft standen und stehen wie in der Kunst unter dem permanenten Einfluss technologischer Entwicklungen. Eine für die Sonifikation wichtige Rolle spielt die Erfindung des Telefons und des Phonographen, mit denen die erste Ära der Sonifikation[9] beginnt, da nun die Aufzeichnung und Vervielfältigung sowie die ortsungebundene Wiedergabe von Klängen möglich ist. Wenige Jahre nach der Anmeldung des Telefon-Patents 1876 durch Alexander Graham Bell finden sich erste Publikationen über Anwendungen, in denen das Telefon bzw. sein Lautsprecher zur akustischen Anzeige physiologischer Phänomene eingesetzt werden.[10] In einem medizinischen Experiment von Nikolai Wedenskii wurden die Signale von offen präparierten Nerven akustisch verstärkt. Bemerkenswert an der Arbeit Wedenskiis ist die präzise Beschreibung der wahrgenommenen Klänge, da diese als Grundlage für die wissenschaftliche Diskussion der Eigenschaften von Nervenzellen herangezogen wird.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte der Neurologe und Psychologe Hans Berger in seinem Bemühen, die Beziehung zwischen Körper und Seele auf objektive Art mithilfe der Technik nachzuweisen, Experimente an der Hirnrinde durch. Von Hunden und Katzen ging er 1924 zum Menschen über. Es gelang ihm, eine elektrische Aktivität der Großhirnrinde zu registrieren, womit er gleichzeitig das Elektroenzephalogramm (EEG) einführte. Seine Arbeiten blieben zunächst unbeachtet. Erst der Neurophysiologe Edgar Douglas Adrian[11], würdigte seine Leistung und benannte den Ruhezustand des Gehirns nach ihm: den Bergerrhythmus, der als dichtes rauschhaltiges Gemurmel hörbar gemacht werden kann. In The Berger Rhythm[12] entwickelte Adrian erstmals eine akustische Repräsentation des EEGs, in der Elektroden und Verstärker bislang unhörbare Prozesse erfahrbar machten. Aus historischer Perspektive ist hier eine durch Technologie erweiterte Form der Auskultation erkennbar.

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