Konzeptuelle Verknüpfungen von Ton und Bild

5 Wahrnehmung als Handlung in Raum und Zeit

Wie anhand von Morris’ Box deutlich wird, ist die rezeptionsorientierte (Auto-)Genese von Wahrnehmung als Handlung in Raum und Zeit ein weiterer entscheidender Aspekt von Audiovisualität in der Konzeptkunst. LaMonte Youngs Composition 1961, No. I, January I mit der Anweisung Draw a straight line and follow it ist hierfür ein Beispiel, das zudem die intermediale Ausrichtung der Musik im Kontext von Fluxus illustriert. LaMonte Youngs Modell zielt auf eine durch einen physisch verstandenen Akt der Zeichnung vom BetrachterInnensubjekt hergestellte Beziehung zum Werk: Ein Akt mithin, der sich zwar einerseits als zeit- und raumgenerierendes reales Ereignis darstellt, doch zugleich ein metaphysisches Moment aufweist, denn wer Youngs Komposition konsequent befolgt, hat gute Chancen, das herrschende Raum-Zeit-Kontinuum auf den Kopf zu stellen. Tatsächlich scheinen hier Produktion, Wahrnehmung / Rezeption und Handlung in einer Weise kurzgeschlossen, die auf ein virtuelles Jenseits herrschender Zeit-Raum-Vorstellungen zu verweisen scheint. So erinnert die Logik von Composition 1961, No. I, January I an die in der Romantik sich vollziehende Erosion des periodischen Themas, die bei Richard Wagner bis zur unendlichen Melodie [ausgeweitet] wird – eine historische Zäsur, an der sich eine auch für die Konzeptkunst der 1960er Jahre signifikante Rhetorik der Entgrenzung erkennen lässt. Laut Michael Maierhof wird erst mit der Auflösung der Tonalität um 1908 durch Schönberg und seine Schüler […] auch die Wiederholung als Form-Generator radikal in Frage gestellt […].[7]

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