Synästhesie, ein neurologisches Phänomen

2 Verschiedene Arten von Synästhesie

Generell werden z. B. nach Peter G. Grossenbacher drei Arten von Synästhesie im Bezug auf ihre Entstehung unterschieden: 1) Bei der genuinen Synästhesie gibt es über die Zeit konstante Kopplungen von Auslöser und Ausgelöstem, die für die Betroffenen schon immer da waren. 2) Bei der erworbenen Form kommt es durch einen neuropathologischen Zustand zu konsistenten Kopplungen. 3) Bei drogeninduzierter Synästhesie kommt es zu vorübergehenden, variablen Kopplungen durch psychoaktive Substanzen (wie z. B. LSD oder Meskalin). Im Artikel wird nur die genuine Synästhesie weiter behandelt.

Im Bereich der genuinen Synästhesie wird in der wissenschaftlichen Literatur am häufigsten das Farbenhören beschrieben, bei dem gesprochene Wörter, Buchstaben, Zahlen, Stimmen oder Töne visuelle Eindrücke wie Farben und/oder Figuren, sogenannte Photismen, auslösen. Im Rahmen des Research-and-Development-Projektes Synaesthesia and Sound von Jamie Ward und Samantha Moore zeigte sich, dass die Visualisierungen synästhetischer Photismen in Verbindung mit Tönen auch von Nicht-Synästhetikern als besonders ästhetisch empfunden werden.

Seltener tritt die Empfindung von Photismen beim Schmecken, Riechen oder der Schmerzwahrnehmung auf. Ein noch wenig untersuchtes Phänomen ist die sogenannte Gefühlssynästhesie. Dieser Begriff wird in zweierlei Hinsicht verwendet: Zum einen beschreibt er eine Synästhesieform, bei der eine Sinnesmodalität, wie beispielsweise der Tastsinn, je nach Stimulus ein bestimmtes Gefühl hervorruft. Zum Beispiel beschreibt Vilayanur S. Ramachandran eine Frau, die sich minderwertig fühlt, wenn sie Jeansstoff mit der Hand berührt, stattdessen aber ruhig und stark, wenn sie glattes Metall anfasst. Zum anderen kann Gefühlssynästhesie (oder auch metaphorische Synästhesie) aber auch bedeuten, dass Gefühlszustände synästhetische Wahrnehmungen hervorrufen (Emrich 2002).

Es gibt jedoch nicht nur sehr viele verschiedene Formen von Synästhesie, sondern oft auch starke Unterschiede zwischen den Wahrnehmungen von Synästhetikern einer Synästhesieform. Während beispielsweise einige Graphem-Farb-Synästhetiker berichten, sie sähen ihre Farben auf den Buchstaben oder um ihn herum projiziert, berichten andere, die Farbe erscheine nicht wirklich visuell, sondern vor dem inneren Auge.

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