Klang-Bild-Relationen in Games

6 Appropriation von Games in der Medienkunst

In den 1990er Jahren setzte vor allem seitens der MedienkünstlerInnen eine intensive Auseinandersetzung mit dem Medium Computerspiel ein, die sich insbesondere in Strategien der Appropriation ästhetischer Inhalte und der Modifikation (Modding) existierender Spiele entfaltete[9].

Der australische Künstler Julian Olivier hat 2003 gemeinsam mit Steven Pickles das Projekt q3apd entwickelt, das eine modifizierte Spielumgebung des populären Spieles Quake III Arena (ID Software 1999) für Soundperformances verwendet. Dabei wurden Handlungen innerhalb der Spielumgebung mit neuen Klangparametern versehen und live in Szene gesetzt. Auch die Arbeit QQQ (2002) des britischen Künstlers Nullpointer (Tom Betts) appropriiert den Code des Online-Shooters Quake III, indem jene Parameter der Game Engine, welche die Repräsentation von Sound und Grafik steuern, derart modifiziert werden, dass die Handlungen der Online-SpielerInnen sich in einen abstrakten Strom von Bildern und Tönen verwandeln.

Die Arbeit RC (1999–2001) des spanischen Künstlers Retroyou (Joan Leandre) greift über eine Veränderung des Softwarecodes eines Autorennspieles in die Simulation der Spielphysik sowie der grafischen Repräsentation ein. Dadurch wird die audiovisuelle Ebene des Spieles zu einem interaktiven Performance Tool umfunktioniert, das mit einem Lenkrad angesteuert werden kann und so eine eindrucksvolle dynamisch-abstrakte Collage der verschiedenen visuellen und auditiven Spielelemente (Autofragmente, Explosionen, Elemente der Rennstrecken usw.) realisiert. Diese Beispiele exemplifizieren, wie KünstlerInnen und ProgrammiererInnen auf der Basis existierender, aus der Industrie stammender Hard- und Software innovative und eigenständige Installationen und Performance-Werkzeuge entwickeln. Dabei geht es, im Unterschied zur Appropriation in der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts, weniger um den Verweis auf den ursprünglichen Kontext des verwendeten Materials, sondern eher um die experimentelle Verwandlung bestehender Software mit dem Ziel, neuartige audiovisuelle Situationen automatisch zu generieren. Der veränderte Code aller oben genannten Werke wird von den KünstlerInnen auf deren Websites zum Download angeboten, was dem Publikum die Möglichkeit weiterer Experimente oder Kollaborationen eröffnet.

Die australische Internetressource http://www.selectparks.net/ stellt diesbezüglich eine hervorragende Quelle dar.  
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11

 
Zeitrahmen:ab 1990
Werkbeschreibungen aus diesem Text
Small

Rez

Werkbeschreibungen aus anderen Texten