Klangkunst

2 Klangskulptur

Besondere Bedeutung hatte schon früh die strukturierende Tätigkeit der Rezipienten, sei es durch regelrechte Interaktion im Sinn von Steuerung oder Regelung audiovisueller Ereignisse, sei es durch individuelle räumliche Bewegung und Aufmerksamkeitslenkung, die den Fluss der aufgenommenen Perspektiven und Reize bestimmen. Instrumentenneuschöpfungen von Harry Partch (Cloud Chamber Bowls, 1950/1951) und die structures sonores von Bernard und François Baschet (Schlagzeug, 1955) sind nicht nur in dem Sinne Klangskulpturen, dass sie Auge und Ohr gleichermaßen ansprechen. Indem die Konstruktion überaus reichhaltige, changierende Frequenzspektren hervorbringt, erhalten einzelne Klänge in sich eine derart komplexe Form und innere Dynamik, dass sie einer physischen Skulptur vergleichbar werden. Damit sind sie auch durch ungeschulte Besucher spielbar. Das Systemverhalten kann hier durch die Beobachtung konstruktiver Merkmale und mechanischer Vorgänge abgeleitet werden. Peter Vogels elektronische Klangskulpturen werden durch Licht- und Schattenwurf der Besucher gesteuert. Ihr Systemverhalten ist als Algorithmus unsichtbar in der elektrischen Schaltung verankert: Im Gegensatz zu den vorherigen Beispielen ist das akustische Verhalten nicht aufgrund visueller Informationen zu antizipieren, sondern muss empirisch erprobt werden (Musikalisch-kybernetisches Environment, 1975). Gut zwei Jahrzehnte später kann Erwin Stache seine Klangkästen (1994), deren Steuerparameter ebenfalls der Lichteinfall ist, nur noch mit einem ironischen (wenn auch poetischen) Seitenblick auf den Markt der Consumer Electronics realisieren, denn Varianten von Vogels Idee sind längst als Pfennigartikel in elektronischen Grußkarten u. Ä. erhältlich.

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