Klangkunst

1 Vorläufer der Klangkunst

Vorläufer der Klangkunst finden sich bei Komponisten kurz nach dem Jahr 1900. Raumeffekte bei Charles Ives (The Unanswered Question, 1908) und der Eindruck dynamischer Klangflächen und -volumina bei Edgard Varèse (Amérique, 1918–1921) gaben dem Komponieren räumliche Bezugspunkte und rekurrierten damit auf die konstitutive Funktion von Ort und Raumbewegung für Musik. Erik Saties Konzept der Musique d’ameublement (1920) sollte einem Ort hintergründig eine spezifische Stimmung verleihen und somit vergleichbar der Wärme oder dem Licht wirken.

Von Bedeutung waren ferner die ab 1910 verbreiteten Versuche, für die Struktur von Musikwerken Entsprechungen in der Malerei (z. B. František Kupka, Fuge in zwei Farben (Amorpha), 1912) und später im Tonfilm (Oskar Fischinger, Tönende Ornamente, DE 1932) zu finden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden umgekehrt textliche, grafische und skulpturale Partituren u. a. von Mauricio Kagel (Transición II, 1959), Earle Brown (Calder Piece, 1965/1966) und Dieter Schnebel (Mo-No: Musik zum Lesen, 1969) als Bindeglied zwischen den Künsten thematisiert.

Zeitgleich zur Einführung visueller Collage-Techniken erweiterten die Stil-Collage (Charles Ives, Central Park in the Dark, 1906/1946) und die Geräusch-Collage im Futurismus und in der Lautpoesie das musikalische Klangmaterial über tradierte kompositorische und instrumentale Konzepte hinaus. Allan Kaprows Konzeption des Happenings (1959) als Ereignis, welches das Publikum mobilisiert bzw. aktiv einbezieht sowie ab 1962 kunstsynthetische Aktionen im Kreis der Fluxus-Bewegung bilden weitere ideelle Fundamente. Nam June Paik entwarf im Anschluss daran mit der Symphonie für 20 Räume (1961), 1963 in der Exposition of Music – Electronic Television partiell realisiert, das Konzept der Klanginstallation avant la lettre.

In der kinetischen Kunst etablierten Jean Tinguelys tönende Schrottskulpturen die Verzeitlichung der Skulptur (Metamechanisches Relief, 1954). Bei Mauricio Kagels Musica para la torre (1953/1954) und bei den spatiodynamischen Türmen (ab 1954) von Nicolas Schöffer (mit Klängen von Pierre Henry bzw. Henri Pousseur) wird auch die Klangsphäre des Stadtraums in das Werk einbezogen.

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