Klang im Animationsfilm

3 Der Zweite Weltkrieg und die Entwicklung des Fernsehens

Der Zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit brachten eine große Zahl von Neuerungen. Während des Kriegs wurden animierte Filme vielfach von regierungsnahen Stellen in Auftrag gegeben. Diese Filme zeichneten sich oft durch einen hohen Anteil von Voice-over aus, einem typischen Merkmal von Dokumentar- und Informationsfilmen. Damit ließen sich signifikante Einsparungen erzielen, da die Lippensynchronisation entfiel; außerdem eignete sich Voice-over gut für eine klare Vermittlung der Informationen, und eine Visualisierung durch aufwändig animierte Bewegungen erübrigte sich.

Eines der im Krieg gegründeten und in der Nachkriegszeit besonders wichtigen Studios, United Productions of America (UPA), verwendete Voice-over auch später in einigen seiner bemerkenswertesten narrativen Arbeiten. Ein Beispiel ist Gerald McBoing Boing (US 1951) des Regisseurs Robert ›Bobe‹ Cannon, ein Film über einen Jungen, der sich lieber über Geräuscheffekte mitteilt als durch Worte; die Geschichte stammt von Theodor Geisel, der als Dr. Seuss weltbekannt geworden ist.

In den 1940er Jahren entstand das National Film Board of Canada mit jeweils eigenen Abteilungen für Dokumentarfilm und Animation. Norman McLaren, der die letztere Abteilung leitete, experimentierte mit vielen Techniken, auch mit synthetischem Ton. McLaren ritzte, zeichnete und fotografierte mit zunehmender Meisterschaft Bilder auf die Tonspur vieler Filme. Ein gutes Beispiel ist sein Film Neighbours (CA 1952), in dem synthetischer Ton als Untermalung dient für die ruckartigen Bewegungen der mit Einzelbildschaltung (Pixilation)[6] aufgenommenen Schauspieler. Auch Len Lye war wie McLaren ein Pionier kameraloser Filmtechniken. Seit seinen Anfängen in den 1930er Jahren malte er direkt auf das Zelluloid und experimentierte mit verschiedensten Methoden der Oberflächenbearbeitung. Für seinen Film Free Radicals (US 1958/1979) ritzte Lye Zeichnungen in schwarzes Filmmaterial und erzielte so hypnotisierende Wirkungen auf Auge und Ohr. Die Bilder sind durch Trommelmusik begleitet, die in den Credits dem afrikanischen Stamm der Bagirmi zugeschrieben wird. Lye schuf auch kinetische Plastiken, die zum Teil sehr groß sind, und arbeitete auch immer mit ihren besonderen Klangeigenschaften.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zeichneten sich in der Produktion animierter Filme zwei entgegengesetzte Entwicklungen ab: Einerseits wurden Fernsehprogramme wichtig, die sich in erster Linie an Kinder richteten, andererseits wurden mehr Filme speziell für Erwachsene produziert. Mit dem Ende der 1950er Jahre wuchs der Anteil animierter Fernsehprogramme am Gesamtprogramm deutlich; dies hatte zum Teil mit dem Einsparungspotenzial eines reduzierten Animationsstils zu tun, bei dem der Dialog wichtiger war als die animierte Handlung, und der zu Figuren führte, die sich kaum bewegten, aber dafür umso mehr redeten. Die japanische TV-Animationsindustrie setzte von Anfang an auf diese reduzierten Animationstechniken, z. B. in Osamu Tezukas Tetsuwan Atomu (Astro Boy, JP 1963–1966). Die amerikanischen Studios Hanna-Barbera und Filmation verschrieben sich ebenfalls diesem Stil. Im Lauf der 1960er Jahre wurde dann der Einsatz von Lachkonserven im Fernsehen als Geräuscheffekt üblich (was die Anwesenheit eines Publikums im Studio suggerierte) und bald auf den Bereich der Animation ausgedehnt, z. B. in Hanna-Barberas The Flintstones (US 1960–1966). Dieser Effekt replizierte die Ästhetik der Realfilm-Sitcoms dieser Zeit.

Die Produktion von Animationsfilmen für ein erwachsenes Publikum verlief Hand in Hand mit den größeren Trends in der Filmindustrie. Das Teen-Publikum wurde mit Musikfilmen ins Kino gelockt, z. B. Yellow Submarine (UK/US 1968) des Regisseurs George Dunning. Im Mittelpunkt dieses Spielfilms standen Songs der Beatles und animierte Konterfeis der Band waren die Hauptfiguren. Die Welt des Independent-Films war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs größer geworden, und Animationsfilme für ein erwachsenes Publikum wurden auch in diesem Bereich produziert. Frank Film (US 1973) von Frank Mouris folgt der Stimme des Filmemachers und dokumentiert seine persönlichen Erfahrungen. Der Film ist typisch für das Tagebuch-Filmgenre dieser Zeit, das in Realfilm-Produktionen noch stärker vertreten war.

Pixilation ist ein Verfahren, bei dem SchauspielerInnen in Einzelbildern fotografiert werden, was die Bewegungsabläufe eigenartig mechanisch erscheinen lässt. Mehr Information bei Stephen X. Arthur, Pixy-led by Pixilation, http://mypage.direct.ca/w/writer/pixilation.html.  
1
2
3
4