In ihrem 8 Minuten langen Stop-Motion-Film Balance (1989) gelingt es den Brüdern Wolfgang und Christoph Lauenstein, mit scheinbar minimalem Aufwand an Visuals und Ton eine eindrucksvolle Botschaft zum Thema Gier zu formulieren. Das visuelle Design beschränkt sich weitgehend auf mehrere grau in grau gehaltene, nahezu gleich kostümierte Gliederpuppen. Diese Figuren sind stehend auf einer Plattform verteilt, die im Weltall schwebt, und werfen Angelhaken über den Rand aus, um im Raum zu fischen. Die Tonspur des Films besteht aus kargen Geräuscheffekten: Man hört vor allem das Knarren der Plattform, unbestimmte gedämpfte Geräusche, Schritte, das Auseinanderziehen und Zusammenschieben der Angelruten. Aus einer mysteriösen Kiste, die von einer der Figuren eingeholt wird, erklingt Musik, bald lauter, bald leiser, je nachdem, ob die Kiste nach vorn oder hinten auf der Plattform rutscht. Sie stört mit ihrem Umherschlingern im buchstäblichen Sinn die Balance der geordneten Existenz der Figuren.
Das Problem scheint nun darin zu bestehen, dass jeder der Männer die Kiste für sich beansprucht – und das hat eine ständige Nachjustierung des Gleichgewichts ihres kümmerlichen Lebensraums zur Folge. Wenn einer von ihnen die Kiste auf eine Seite der Plattform schiebt, müssen sich die anderen schleunigst auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung machen, damit die Plattform waagerecht bleibt und sie nicht alle ihren Halt verlieren. Der Ton spielt eine wichtige Rolle beim Aufbau einer beklemmenden Stimmung. Während das Tempo der umherschlingernden Kiste und der Schritte der Männer zunimmt, erhöht sich auch für uns die dramatische Spannung. Kreative Kinematografie verbindet sich mit der Tonspur, um dem Geschehen eine Struktur zu geben.
Schließlich versteigt sich einer der Männer dazu, die anderen einzeln von der Plattform zu stoßen. Balance hat, wie viele unabhängig produzierte Kurzfilme, keinen Dialog. Wenn also die Männer einer nach dem anderen in Gefahr kommen, ihren Halt zu verlieren, und um Hilfe gestikulieren, tun sie dies wortlos. Dies erhöht nur unser Mitgefühl für diese armen, hilflosen Figuren, die gleich in die Tiefe des Weltraums stürzen werden. Der Mann, der sie trotzdem hinunterstößt, tut dies ebenfalls wortlos. Statt hier auf gellende Hilfeschreie zu setzen, haben die Regisseure sich gegen jeden Ton entschieden. Nicht eine emotionale Reaktion fordert der Film vom Zuschauer ein, sondern intellektuelle Auseinandersetzung, und wir begreifen, dass wir mit einer Allegorie über das Wesen der menschlichen Natur konfrontiert werden.